Sportjournalismus in Zeiten des Coronavirus – und wie es früher war

Nun ist die Auftragslage implodiert. Der Sport steht weltweit still, zu berichten gibt es kaum mehr etwas, sobald alle Verschiebungen und finanziellen Auswirkungen abgehandelt sind. Auch das Thema, «wie trainieren sie in der Quarantäne» ist durch, zumal die Olympischen Spiele in Tokio verschoben wurden und somit kein Sportler dieses Jahr mehr ein konkretes Ziel hat. Ob die Eishockeymeisterschaft m 18. September 2020 startet, ist ungewiss.

Noch vor einem Monat schien das alles undenkbar. Da sass ich noch in der KEK in Küsnacht zusammen mit über 1000 anderen. Dann wurden die Grossveranstaltungen verboten. Zunächst gab es am 28. Februar 2020 noch ein Geisterspiel: das fünfte und entscheidende Duell zwischen dem EHC Kloten und den GCK Lions fand am Schluefweg unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es war der letzte Eishockeymatch, den ich in dieser Saison 2019/20 sehen werde. Gestern wurde nun auch die WM 2020 endgültig abgesagt.

Eigentlich hätten es noch ganz viele Spiele werden sollen, über die ich zu berichten habe. Überhaupt versprach des Sportjahr 2020 ein auftragereiches zu werden: zuerst ganz lange Play-off in der National- und Swiss League, womöglich mit Ligaqualifikation des EHC Kloten bis Ende April. Anschliessend hätte mich die Eishockey-WM zwei Wochen auf Trab gehalten, ehe wahrscheinlich vermehrte Online-Einsätze wegen der Euro 2020 angestanden wären. Nur bei den Olympischen Spiele wäre ich wohl weniger involviert gewesen, weil in den Sommerferien.
Nun ist alles anders. Sport findet keiner mehr statt, was für mich über den Daumen gepeilt einen Ausfall von 10- 15000 Franken bedeutet. Ob hier das 42-Milliarden-Hilfspaket des Bundes greift, wird sich weisen. Es ist, wie es ist.

Es war einmal: ganz anders.
Grosszügige Honorare, viel Prestige und Spesen ohne Ende: Als ich 2001 bei der NZZ in den (Sport-)Journalismus einstieg, war die Verlagswelt noch eine andere. Genächtigt hat der NZZ-Journalist damals nur in edlen Hotels, gefahren wurde im Taxi und wer ein Nachtessen für unter 50.- auf die Spesenrechnung setzte, wurde vom Chef getadelt für so viel Selbstkasteiung.

Vielleicht hätte man es kommen sehen können, ( das Internet gab es schon…) doch damals floss das Werbegeld noch derart üppig und gleichsam ohne grosse Anstrengung, dass niemand mit einer Disruption der Medienbranche rechnete. Erfolg macht träge. Die Zeitungen waren dicke Pakete, vollgestopft mit teuren Inseraten. Genau in jenen Jahren haben viele der hiesigen Verlage ihre grössten strategischen Fehler begangen, indem sie es verpassten, eigene Portale aufzubauen für ihre Job-, Auto- Immobilieninserate. Diese Rubriken sind alle ins Internet abgewandert, übernommen von medienfernen Portalen. Das übrig gebliebene Werbegeld müssen sich die Verlage heute auch noch mit Google, Facebook und Co. teilen, wobei ihnen im Gegensatz zu dem Riesen aus dem Silicon Valley nur Brosamen bleiben.

2020, 19 Jahre nach meinem Einstieg, lässt sich der Journalismus kaum mehr kostendeckend finanzieren ohne Quersubventionen aus anderen Geschäftsbereichen. Entsprechend wird gespart und um jeden einzelnen Digital-Abonnenten gekämpft, während früher der Erlös aus den Abos höchstens 20 Prozent der Einnahmen ausgemacht hatte. Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt und dazu kommt noch, dass viele Konsumenten via Internet gratis mitlesen. Zwar gelingt es der NZZ, immer mehr digitale Abos zu verkaufen, doch gleichzeitig sinken die Werbeeinnahmen noch immer.

Das ist die Sicht der gebeutelten Branche. Auf der Makroebene lässt sich feststellen, dass es für die Verbreitung von «Content» noch nie eine bessere Zeit gab als heute. Der Journalist als Gatekeeper und Mittelsmann hat ausgedient; dank dem Internet kann jeder seinen Content direkt vertreiben – ganz einfach und günstig.

Ich stand und stehe stets in einem freien Verhältnis zum Auftraggeber NZZ – mit allen Vor- und Nachteilen. Meine Auftragslage war über die Jahre ziemlich konstant. Der Einbruch 2018 ist eine direkte Folge des Abstiegs des EHC Kloten aus der höchsten Liga. Statt rund drei Artikel pro Woche, bleiben mir noch etwa drei pro Monat. Mit der Begleitung der Klotener hinunter in die Swiss League habe ich demnach einen grossen Anteil geleistet, die Honorare der freien Sportreporter zu senken; für meinen Chef war dieses Szenario vermutlich ein sehr bequemes.

Die Honorare sind, in absoluten Zahlen, seit 2001 leicht gesunken. 450.- für 80 Zeilen über einen langweiligen Qualifikationsmatch im November aus Genf und dazu eine Hotelübernachtung, Essensspesen und 1.Klasse-SBB-Billett? Finito. Schon damals habe ich nicht gewundert, wie sich die Zeitung wohl finanzieren kann, wenn jeder Artikel im Blatt so viel kostete, wie meiner; da kommt pro Tag eine hübsche Summe zusammen.

Verändert hat sich in diesen Jahren nicht nur die finanzielle Umgebung des Journalismus, sondern auch dessen Prestige. Diesbezüglich ist man als Schreiberling für die NZZ noch etwas besser dran, doch insgesamt ist das Ansehen des Berufes in Zeiten von Fake-News und Lügen-Presse gesunken. Zudem scheint mir die Verweildauer im Journalismus kürzer; oft wechseln junge Journalisten schon nach wenigen Jahren in andere Branchen wie etwa die Kommunikationsabteilungen von NGO oder staatlichen Stellen. Die Zeiten, als ein NZZ-Redaktor wegen seiner Expertise als gleichberechtigter Diskussionspartner eines Uni-Professors galt, sind vorbei.

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